Das billige Keyboard aus Venedig prägt das ganze Album: „The beautiful Thing badly done“, sagt Wyatt. Das Schöne dilettantisch ausgeführt - eine Haltung, so weit entfernt von der Ironie des Punk, seiner Emphase des Hässlichen, wie vom Zuckerguss des späten Progressive-Rock. Auch 41 Jahre nach seiner Veröffentlichung hat „Rock Bottom“ nichts von seinem Reiz verloren: ein Album, das sich nicht einordnen lässt, eine schillernde Unterwasserwelt voll von englischem Humor und von Verzweiflung.
Nicht lange nach seinem Unfall nahm Robert Wyatt ein zweites Album auf, „Ruth is stranger than Richard“. Und er spielte seine Version des Monkees-Hits „I'm a Beliver“ ein: Als Rollstuhlfahrer, begleitet von Avantgarde-Musikern wie Fred Frith, trat er in „Top of the Pops“ auf und kam in die Hitparade. Immer wieder zog Wyatt sich aber auch für Jahre zurück. In den 1980er Jahren veröffentlichte er nur zwei Alben, eines davon voller Coverversionen: „Nothing can Stop us“ ist eine grandiose Sammlung von Polit-Songs - „Strange Fruit“, Billie Holidays bittere Ballade über rassistische Morde in den USA, jagt neue Schauder über den Rücken, wenn Wyatt sie mit seiner zerbrechlichen Stimme singt. „Shipbuilding“, der Song, den Elvis Costello für Robert Wyatt schrieb, erschien als Single: Ein Protest gegen die Falklandkriege.
Robert Wyatt hat mit vielen Musikern zusammengearbeitet, man hört seine Stimme auf Alben von Brian Eno und Nick Mason, Scritti Politti und Henry Cow, Ruichi Sakomoto, Björk und Hot Chip. Mit Nick Cave singt er auf dem Soundtrack des Dokumentarfilms „Nomaden der Lüfte“. Er nahm Pop-Songs auf, spielte mit Jazz-Musikern und veröffentlicht selbst Alben, die sich gegen Hörgewohnheiten sperren und doch in ihren Bann ziehen: Über allem schwebt diese Stimme, die viele für die traurigste der Welt halten. Der Mann, dem sie gehört, ist überzeugter Marxist, machte Front gegen Margaret Thatcher, liebt Nonsense-Reime, Winnie-the-Pooh und Lewis Caroll, leidet noch immer unter Depressionen, erscheint ungebrochen kreativ und engagiert: Ein Fatalist, der unbeirrbar am Leben festhält.
„Ich glaube, dass dass Leben hart ist“, sagte Robert Wyatt zu Marcus O'Dair. „Kennst du das Sprichwort: Der Teufel steckt im Detail? Ich glaube der Teufel es ist, der die große Show schmeißt, und Gott steckt im Detail. Ich glaube, dass diese ganze Show eine Teufelei ist, aber dass man, trotz alledem, immer wieder kleine wundervolle Augenblicke pflücken kann, wenn man geschickt ist und Glück hat. Diese Art, die Dinge zu sehen, ist die einzige, die einen Sinn ergibt.“
Stuttgarter Nachrichten, 27. Januar 2015